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Mama mit Migräne - Tina (50)

In diesem Interview nimmt dich Tina mit in ihren Alltag als Migränebetroffene, Sie ist Mutter von zwei Kindern und engagiert sich in einer Selbsthilfegruppe für Betroffene von Kopfschmerzerkrankungen und deren Angehörigen.

Interview mit Tina zum Thema Mama mit Migräne
Interview mit Tina zum Thema Mama mit Migräne


Frage 1:

Stell dich gerne den anderen Migräne-Mamas kurz vor. (Wie alt bist du? / wie viele Kinder hast du? / Seit wann leidest du an Migräne?)


Tina Gausmann, 50 Jahre, 2 Kinder (10 & 16, beide ADHS, eins zuzüglich

Autismus/Asperger), seit 34 Jahren Migräne

 



Frage 2:

Wie ist die aktuelle Symptomatik deiner Migräne und wie viele Migränetage hast du etwa im Monat?


Chronische Migäne, Cluster, Trigeminusneuralgie, vestibuläre Migräne,

Gesichtsschmerz, Spannungskopfschmerz, (in der Vergangenheit auch MÜK),

Fibromyalgie, Reizdarmsyndrom, Asthma, Insulinresistenz.


Im Durchschnitt 7 Schmerzmitteltage pro Monat, ca. maximal 10 symptomfreie Tage



Frage 3:

Hat sich deine Migräne in der Schwangerschaft und später in der Stillzeit Verändert? Wenn ja wie und hatte Sie einfluss auf deine Entscheidung Für oder gegen das Stillen?


In der ersten Schwangerschaft war es gut. Die zweite war ein Abgang, da ich nicht

wusste, dass ich schwanger bin und als Prophylaxe Topiramat hatte und zuzüglich zu dickes Blut.

Die dritte Schwangerschaft war dann mit hochdosierten

Thrombosespritzen und leider auch Migräne.



Die Stillzeiten kann ich nicht sagen, ob diese etwas bewirkt haben oder nicht.

Zum Wohle der Kinder würde ich jederzeit wieder stillen.





Frage 4:

Was sind deiner Meinung nach die grössten Herausforderungen in einem Alltag mit Migräne und Kind?


Im Alltag zu funktionieren und sich selbst gut zu versorgen. Besonders bei Attacken bei einem gewissen Tablettenkonsum eine nicht-medikamentöse Lösung zu finden ist für mich schwer.


Die Prävention zum Beispiel regelmäßig PMR (progressive Muskelentspannung), Meditation, Sport und vieles mehr finde ich unsagbar schwer durchzuhalten und konsequent zu sein.



Frage 5:

Welchen Tipp möchtest du anderen Migräne-Mamas oder jenen die es werden wollen mit auf den Weg geben?


1. Sei gut zu dir!


2. Hast du einen Plan gefunden, der dir guttut, verfolge ihn mit 10 %

eingeplanten Fehlschlägen (wenn man 90 % oder von mir aus auch 80 %

richtig läuft, ist mehr gewonnen als immer 100 % anzustreben, das nimmt viel

Druck raus!)


3. Wisse, dass die Migräne unheilbar ist und lass Dich nicht von falschen

Versprechungen verleiten!


4. Wisse, dass sich die Migräne verändert. Es ist normal, dass eine Zeitlang

etwas wirkt und dann nicht mehr. Du darfst immer wieder neu bewerten! Das ist normal!




Frage 6:

Wie sieht ein Tag mit Migräne bei dir und deiner Familie aus?


Da meine Kinder groß/größer sind, sind sie eine unsagbare Unterstützung und Hilfe!

Das kleine Kind hat Kindermigräne. Manchmal legen wir uns gemeinsam hin. Das

große Kind macht dann was nötig ist.


Wir haben eine laminierte Checkliste für unser Morgen - / Abend-Programm, damit beide sich gegenseitig unterstützen und alles notwendige selbstständig erledigen können.


Da mein Mann schwer krank ist, kann ich auf ihn leider nicht zählen. Er hat

Schwierigkeiten dies nachvollziehen zu können. Daher sind die Kinder und ich ein

eingeschworenes Team.


Wir haben seit kurzem einen Hund (Wunsch meines Mannes, Tier aus dem

Tierschutz) was zwar momentan mit Erziehung und so echt anstrengend ist, aber unser Hund ist auch sehr mitfühlend. Vielleicht schafft er später die Prüfung zum Assistenzhund Migräne/PTBS/Autismus.

Durch das große Kind und das Familiennetzwerk haben wir hier die Möglichkeit auch bei Attacken das Tier zu versorgen.


Wir haben uns Unterstützung vom Jugendamt geholt. (Familienrat: Aufstellung

eines Familiennetzwerkes) und bekommen jetzt auch zusätzlich eine ambulante

Familienhilfe, da eine lebensbedrohliche OP meines Mannes ansteht.



Frage 7:

Was machst du mit deinen Kindern /deinem Kind besonders gerne an migränefreien Tagen?


Nichts ;o Wir verdrängen einfach nur Luft .


Der Alltag mit Schule und den ganzen Problemen erfordert keine zusätzliches Unterhaltungsprogramm, sondern Zeit um zu sein. Spontan kann man immer wieder entscheiden, ob und was man machen möchte.


Wir lieben es durch ausgewählte DVD Sammlung, der Realität zu entfliehen, in

bestimmte ‚Fantasiewelten‘ abzutauchen, z.B. Narnia, Hogwarts, mit dem großen ins Weltraum StarTrec/Wars, mit dem kleinen Avengers, Thor, Nevermore….


Wir haben angefangen, ab und zu Spieleabende zu machen – um nicht zu viel im TV zu versinken und natürlich gehen wir Gassi oder unterhalten unsere Schildkröte.



Frage 8:

Was gibt dir als Migräne-Mama Kraft im Alltag? Was machst du für dein eigenes Wohlbefinden?


Daran arbeite ich noch. Es mangelt an Selbstfürsorgen und die Disziplin, gut zu mir zu sein.


Ich gehe gerne ins Fitnessstudio, ich habe die 7Mind-App-LifetimeLizenz, habe einen Massagegürtel für den Nacken, einen Massagesessel im Gym (und ein Solarium und Laufband!!!), habe ausgewählte englische Buchreihen durch welche ich nach England/Schottland abtauchen kann und ich trinke

gerne Tee. Ich habe gerne Kuschelsocken an, nach einer frischen Dusche, liebe

immer wieder neue Duschgels, habe spezielle Wohlfühlklamotten.


Ich habe meine Selbsthilfegruppe (SHG) für die ich gerne da bin, meine WhatsAppGruppe aus der Schmerzklinik mit meinen ‚Mädels‘ die ich absolut gern habe, koche gerne immer wieder mal was neues, gehe

gerne für Obst und Gemüse in den Biomarkt, da dort das Einkaufen richtig wohltuend ist.



Frage 9:

Was ist für dich das schönste am Mamasein?


Die bedingungslose Liebe.


Das große Kind ist in der Pubertät und hat Asperger.

Wenn von da ohne irgendeinen Anlass eine Umarmung kommt mit ‚Mama, ich habe dich soooo lieb‘ dann weiß ich, dass ich nicht so viel falsch gemacht haben kann.


Klar tun Liebeserklärungen vom kleinen Kind auch unsagbar gut und natürlich die Kuscheleinheiten/Umarmungen/Drücker, aber die Pubertät ist halt schon eine eigene Nummer – und wir haben oft Zoff….


Früher wollte ich nie Kinder. Jetzt weiß ich, dass sie es sind, für die es sich lohnt zu

leben. Trotz Migräne.


Ich glaube, man darf sich von vornherein ganz bewusst machen, dass man IMMER Fehler in der Erziehung macht. Die macht man nicht aus Absicht, sondern weil es halt heute richtig erscheint und später sieht man, hoppla, war falsch.


Daher: Man macht es immer falsch, das ist normal und trotzdem kann es gutgehen – wenn man sich nicht unter Druck setzt alles richtig machen zu wollen, anderen zu gefallen oder auch andere überzeugen zu wollen!



Frage 10:

Hast du Unterstützung während deiner Migräne? Wenn ja wer greift dir unter die Arme?


Meine Kinder, meine Nachbarin, meinen Vater, manchmal meinen Mann (trotz

manchem Unverständnis!), die SHG, Familiennetzwerk, Jugendamt, Ärzte 




Frage 11: Wie hat sich dein Leben mit Migräne gewandelt, seitdem du Mama bist?


Die Alltagsbelastung ist wesentlich mehr geworden. Ich kann nicht mehr arbeiten. Ich glaube, für mich ist Karriere UND Familie nicht möglich.


Entweder werden Kunden/Arbeitgeber ODER die Kinder vernachlässigt. Ich habe hier stark mit meinem Stolz zu kämpfen, dass ich zu krank bin um auch noch zu arbeiten.


Ich wünsche mir sehnlichst zumindest einen Minijob, aber es ist momentan einfach so schwer, ich bekomme ständig absagen weil ich eine Frau, 50 J, Mutter und nicht schichtfähig bin.

Entweder Kunden/Arbeitgeber oder Kind.


Das Thema Abgrenzung ist für mich daher auch sehr schwer.



Frage 12: Was hast du durch deine Migräne schon alles gelernt?


Pareto: Mit 80 % auch klar zu kommen…

Ich darf mich abgrenzen, muss das auch (lerne noch)

Selbstfürsorge ist kein Egoismus – Egoismus ist toxisch, Selbstfürsorge übernimmt auch Verantwortung anderen gegenüber.


Man macht weniger Versprechungen, hält diese aber auch, weil der Anspruch/Druck runtergeschraubt wird


Viel ‚medizinisches Zeugs‘ und Selbstbewusstsein.



Frage 13: Möchtest du werdenden Mamas mit Migräne und allen anderen Mamas mit Migräne noch etwas mit auf den Weg geben was dich beschäftigt?


Testet eure Grenzen sanft aus, ohne Druck und Überforderung.


Manchmal geht mehr als gedacht – ABER seid trotzdem gut zu euch!

Der Weg ist ein schmaler Grat, und ihn zu finden ist nie leicht.


Es ist ein lebenslanger Lernprozess!



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