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Interviewreihe: Mama mit Migräne -Kathrin (40)

Aktualisiert: 12. Juli 2024

In diesem Blogbeitrag stellt sich Kathrin vor. Sie hat einen zweijährigen Sohn, arbeitet als Teamleiterin und die Migräne ist seit ihrer Jugend ein treuer Begleiter. Kathrin hat sich intensiv mit ihrer Migräne auseinandergesetzt und teilt ihre Erkenntnisse heute mit uns.



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Frage 1:

Stell dich gerne den anderen Migräne-Mamas kurz vor. (Wie alt bist du? / wie viele Kinder hast du? / Seit wann leidest du an Migräne?)

Ich bin Kathrin, 40 Jahre und seit Dezember 2020 Mama von einem kleinen Wirbelwind.

Meine erste Migräne hatte ich ca. mit 14 Jahren, seitdem ist sie ein stetiger Besucher.



Frage 2:

Wie ist die aktuelle Symptomatik deiner Migräne und wie viele Migränetage hast du etwa im Monat?

Seit ich Mama bin, ist meine Migräne leider sogar häufiger als vorher. Ich habe ca. 1x die Woche eine Migräneattacke. Meine Trigger sind erster Linie hormonell, wetterbedingt oder durch Stress verursacht. Ich kann also nur bedingt Einfluss nehmen bzw. musste lernen – und tue es immer noch – vor allem auf meine Körpersignale zu hören und dementsprechend zu reagieren.


Die Migräne startet fast immer hinten im Nacken und zieht dann bis nach vorne in die Stirn. Oft habe ich dann ein Druckgefühl auf den Ohren, ein Wummern in den Schläfen und bin extrem licht-, geräuschs- und geruchsempfindlich. Wenn ich sie früh genug erkenne, hilft eine schnelle Einnahme von Ibuprofen. Ist die Migräne schon da – sie kommt auch gern mal im Schlaf, dann helfen nur Schmerztropfen und schlafen in einem dunklen, kühlen Raum. Von Triptanen muss ich mich leider übergeben.


Je nach Attacke helfen mir auch ein Wärmekissen im Nacken, etwas Kühles am Kopf oder Aromaöle. Am Tag danach bekämpfe ich meinen Migränemuskelkater gern mit meinem Shiatsumassagekissen. Sehr gut hilft mir auch ein Massagetermin, um die Nachwehen schneller abklingen zu lassen.



Frage 3:

Hat sich deine Migräne in der Schwangerschaft und später in der Stillzeit Verändert? Wenn ja wie und hatte Sie einfluss auf deine Entscheidung Für oder gegen das Stillen?

Hier traf mich eine der ersten sog. Mama-Lügen: deine Migräne verschwindet in der Schwangerschaft und bleibt auch weg. Tja, nicht bei mir. Sie kam und ging wie sonst auch. Ich habe von Beginn an Rücksprache mit meinem Arzt gehalten, was ich nehmen darf und was nicht. Die Medikamente habe ich dann auch dementsprechend genommen, denn man darf nicht vergessen: Schmerzen sind extremer Stress für den Körper und damit ggf. sogar schädlicher als eine gezielt genommene Tablette. Zudem bin ich einfach schneller wieder fit, wenn ich rechtzeitig gegensteuern kann.


Ich habe nicht voll und auch nicht lange stillen können. Hätte ich aber vor der Wahl gestanden, hätte ich nicht gestillt. Mein Sohn hat schon früh die Flasche bekommen und ich kann sagen: es hat unserer Bindung in keiner Weise geschadet. Ein weiterer positiver Aspekt: mein Mann konnte an Schmerztagen problemlos übernehmen. Das war für uns alle drei positiv.




Frage 4:

Was sind deiner Meinung nach die grössten Herausforderungen in einem Alltag mit Migräne und Kind?

Die größte Herausforderung ist, seine Grenzen zu kennen, zu akzeptieren und konsequent zu handeln. Nur wenn wir Mamas auf uns achten, sind wir gut aufgestellt. Habe ich mich vor der Schwangerschaft noch mit Migräne zur Arbeit gequält, bin Auto gefahren und einkaufen gegangen, so habe ich in der Schwangerschaft sehr schnell gemerkt: das hilft mir nicht – und auch nicht anderen.


Der zweite Aspekt ist: wenn ich mich aufgrund der Migräne zurückziehe, ist es kein Liebesentzug für mein Kind, sondern Selbstliebe. Und das können auch die ganz Kleinen unterscheiden. Unser Sohn ist zum Beispiel an Migränetagen viel leiser oder legt sich sogar ganz still zu mir. Für mich eindeutige Zeichen der Liebe und Empathie, auch mit 2 Jahren! Außerdem lernt er durch Vorleben, dass es wichtig ist, auf sich selbst zu achten.



Frage 5:

Welchen Tipp möchtest du anderen Migräne-Mamas oder jenen die es werden wollen mit auf den Weg geben?

Lernen, nein zu sagen, Grenzen kennen und schätzen lernen und Hilfe annehmen.

DU bist wichtig. Das muss sich fest in deinem Kopf verankern. Wenn du eine solide Basis für dich hast, sowohl vom Mindset her als auch körperlich, ist die Migräne nur ein weiter Faktor, den wir Mamas wuppen.



Frage 6:

Wie sieht ein Tag mit Migräne bei dir und deiner Familie aus?

Ich habe gelernt, so schnell wie möglich, Bescheid zu sagen, meinem Mann und an Arbeitstagen auch im Job. Je nach Stadium nehme ich meine Medikamente und filtere, was mir gut tut und was nicht. Brauche ich Ruhe, nehme ich sie mir dementsprechend. Hilft mir Aufräumen, dann mache ich das.

Ich sage ganz klar, was ich den Tag mir zumuten kann und was nicht. Das ist wichtig, denn auch meine Familie kann mir nur vor dem Kopf gucken, auch wenn man es mir an manchen Tagen auch im Gesicht ansehen kann.


Ich mache mehr Ruhepausen als sonst und delegiere, wenn nötig, Aufgaben wie Kitaabholung, einkaufen oder kochen.

Wichtiges wird kurz besprochen oder aufgeschrieben.

Unwichtige Aufgaben werden vertagt. Oder kam schon mal jemand und hat gesagt: Oh, der Wäschekorb läuft über? Eben.


Ich musste mir eingestehen, dass ich an Migränetagen nicht so leistungsfähig bin wie sonst. Und das ist ok.



Frage 7:

Was machst du mit deinen Kindern /deinem Kind besonders gerne an migränefreien Tagen?

Da wir das Glück haben und sehr ländlich wohnen, sind wir sehr viel draußen.

Unser Sohn macht am liebsten, was wir auch tun. Er feiert also, wenn er mit Rasen mähen darf oder mir in der Küche hilft.

Wir malen zudem sehr gern gemeinsam und wir haben eine kleine Galerie, an dem seine und meine Kunstwerke hängen.

Ein Playdate mit den Kids in der Nachbarschaft – und ein Kaffee für uns Mamas – darf auch gern mal spontan dazwischenkommen.



Frage 8:

Was gibt dir als Migräne-Mama Kraft im Alltag? Was machst du für dein eigenes Wohlbefinden?

Mir gibt es Kraft, achtsam mit mir und meiner Umwelt zu sein. Ich bin fitter, wenn ich auf mich achten und mir meine Auszeiten nehme. Das muss keine Stunde beim Sport sein, 15 Min. Yin Yoga sind auch super! Ich versuche immer mehr rund um das Thema Stressmanagement zu lernen. Das kann ich in erster Linie bei mir, aber auch bei meinem Sohn und mit meinem Team anwenden. Zu sehen, welche Effekte dies hat, macht mich glücklich.


Handlettering hilft mir auch sehr. Ich kann etwas mit den Händen tun, habe ein Ergebnis und es hat etwas Meditatives


Außerdem versuche ich, kleine Wohlfühlmomente einzubauen: einen Podcast beim Zähneputzen hören, ein Aromadiffuser am Schreibtisch, ein kurzes Telefonat oder Sprachnachricht mit der besten Freundin, Atemübungen, ein gutes Essen.


Für mich war immer klar: ab der Kreißsaaltür bin ich nicht nur noch Mama. Ich bin weiterhin Ehefrau, Freundin, Tochter, Schwester, Teamleiterin, einfach ich. Mama sein ist eine tolle weitere Aufgabe, die ich nicht missen möchte, aber die Balance halten und ich selbst bleiben ist das A und O.



Frage 9:

Was ist für dich das schönste am Mamasein?

Ich finde es faszinierend zu sehen, wie er mit jedem nächsten Entwicklungsschritt immer weiter seine eigene Persönlichkeit entwickelt und festigt. Ich trauere keiner Phase hinterher, sondern koste sie einfach aus, mit allen Vor- und Nachteilen. Aber zu sehen, dass ein kleiner Mensch durch mich auf eigenen Beinen durch die Welt spaziert, neugierig und empathisch, macht mich unfassbar stolz.


Das größte Kompliment ist, wie sorglos und ohne großen Abschiedsschmerz geht, aber wie gern und freudig überschwänglich er zurückkommt.

Ich genieße sehr, wie unsere Liebe zu ihm genauso bedingungslos zurückkommt: ein feuchter Kuss, ein Pusten auf Mama’s Aua, ein Streicheln über den Rücken beim Einschlafen.



Frage 10:

Hast du Unterstützung während deiner Migräne? Wenn ja wer greift dir unter die Arme?

Ich habe wirklich tolle Unterstützung: mein Mann, meine Eltern, meine Schwiegereltern, Freundinnen, Chef und Kolleg*innen.

Außerdem lasse ich mich zusätzlich coachen.

Ich habe gelernt, dass offen zu sagen, wenn es mir nicht gut geht, mich nicht angreifbar macht, sondern hilft.



Frage 11: Wie hat sich dein Leben mit Migräne gewandelt, seitdem du Mama bist?

Ich bin viel achtsamer und nachsichtiger mit mir. Manchmal noch nicht genug, aber es ist ein Prozess und der dauert etwas. Das zu akzeptieren fällt mir als ungeduldiger Mensch nicht leicht.



Frage 12: Was hast du durch deine Migräne schon alles gelernt?

Dass niemand außer mir beurteilen darf, ob es mir gut oder schlecht geht, was ich schaffe und was nicht.


Dass man nicht zwingend etwas verpasst. Dass es mir gut geht, ist wichtiger als ein Termin im Job, eine Geburtstagseinladung oder eine Elternbeiratssitzung im Kindergarten. Vieles kann man umplanen, nachholen oder abgeben. Und wenn das mal nicht der Fall ist – so what! Meine Gesundheit ist mein Fundament.



Frage 13: Möchtest du werdenden Mamas mit Migräne und allen anderen Mamas mit Migräne noch etwas mit auf den Weg geben was dich beschäftigt?

Erstens:

Ihr seid durch die Migräne keine schlechtere Mama


Zweitens:

Es gibt oft mehr Hilfe, als einem bewusst ist, man muss nur darum bitten und/oder sie annehmen.


Drittens:

Vor allem aber: Verlasst euch auf eure Intuition. Ihr – und kein anderer - wisst am besten, was euch, euren Kindern, eurer Familie guttut.


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