Interviewreihe: Mama mit Migräne - Gisela (43)
- Simone Bungarz
- 20. Okt. 2023
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Juli 2024
In diesem Blogbeitrag spricht Gisela über ihr Leben mit Migräne. und zwei Kinder an ihrer Seite. Wie sie ihren Alltag mit zweitweise bis zu 25 Kopfschmerztagen im Monat bewältigt hat liest du in ihrem Interview.

Frage 1:
Stell dich gerne den anderen Migräne-Mamas kurz vor. (Wie alt bist du? / wie viele Kinder hast du? / Seit wann leidest du an Migräne?)
Ich bin Gisela, 43 Jahre jung und Mama zweier lebhafter Mädchen im Alter von bald 8 und 5 Jahren.
Meine Erfahrungen mit Migräne begannen im zarten Alter von knapp elf Jahren, als mich in der Schule bei einem Geografie-Test meine erste Aura überraschte mit anschließenden starken Kopfschmerzen; ob das meine erste Attacke war, weiß ich nicht, aber es ist die erste Erinnerung an Migräne, die sich bis heute hält, weil sie sehr einschneidend war. Von da an begleitete mich meine Migräne über 30 Jahre regelmäßig.
In meinen „Bestzeiten“ hatte ich 23-25 Kopfschmerztage pro Monat; Diagnose - chronische Migräne. Das war schon anstrengend als ich noch allein war. Mit Kindern war es nochmal eine andere Herausforderung.
Frage 2:
Wie ist die aktuelle Symptomatik deiner Migräne und wie viele Migränetage hast du etwa im Monat?
Wenn Sie sich anpirscht, spüre ich sie rechts im Nacken und über dem rechten Auge mittels Kopfschmerzes; hier und da kommt mal eine Aura, aber ohne Kopfschmerz im Anschluss.
Ich kann und darf jedoch heute sagen, dass ich meine Migräne unter Kontrolle habe. Von Zeit zu Zeit, also vielleicht 1x alle 2 Monate habe ich mit ihr zu rangeln, aber so minimal, dass ich seltenst bis keine Medikamente brauche bzw. weiß was ich zu tun habe, um sie wieder verschwinden zu lassen.
Frage 3:
Hat sich deine Migräne in der Schwangerschaft und später in der Stillzeit Verändert? Wenn ja wie und hatte Sie einfluss auf deine Entscheidung Für oder gegen das Stillen?
Als ich das erste Mal schwanger wurde, fühlte ich mich sehr zerrissen. Einerseits freute ich mich sehr über unseren Bauchzwerg, andererseits hatte ich Angst; weil mir klar war, dass ich in der Schwangerschaft und Stillzeit auf meine Triptane verzichten werden muss. Das war klar MEINE Entscheidung, da ich meinem Kind nicht schaden wollte.
Ich wurde aufgrund meiner Diagnose in frühzeitigen Mutterschutz geschickt, um Stress zu reduzieren; ging regelmäßig zur Akupunktur, versorgte mich mit den notwendigen Mikronährstoffen und achtete auf meine Ernährung (die meiste Zeit jedenfalls). Das funktionierte gut; die Attacken waren einigermaßen erträglich.
Die Entbindung dauerte wider Erwarten recht lang und kostete meinem Körper sehr viel Energie; was leider zu einer heftigen Attacke während der Geburt führte. Mein Körper krampfte und ich hatte starken Schüttelfrost; die Geburt musste „pausiert“ werden; ich bekam intravenös Medikamente und erst als sich alles beruhigt hatte, ging es wieder weiter.
Nach der Geburt ging ich wieder brav zur Akupunktur, ich ernährte mich ausgewogen und nahm zusätzlich Nährstoffe ein. Stress versuchte ich so gut es ging zu vermeiden und meinen Schlaf-Wach Rhythmus nicht zu unterbrechen; was mit Baby nicht sehr gut funktioniert. Ich stillte; daher auch nach wie vor der Verzicht auf Triptane; knapp drei Jahre lang, bis ich erneut schwanger wurde.
Die zweite Geburt verlief viel ruhiger und war auch viel kürzer. Auch meine zweite Tochter stillte ich gut zwei Jahre. Durch den zunehmenden Stress mit zwei heranwachsenden Kindern und der zunehmenden Unachtsamkeit mir selbst gegenüber wurden auch meine Attacken häufiger und nahmen an Stärke zu. Schlussendlich stillte ich ab, weil ich wieder bei über 20 Tagen angekommen war und nicht mehr auf Migränemedikamente verzichten „wollte/konnte“.
Frage 4:
Was sind deiner Meinung nach die grössten Herausforderungen in einem Alltag mit Migräne und Kind?
Wir Mamas „müssen“ funktionieren. Ein Baby oder Kind ist noch auf uns angewiesen und versteht nicht warum wir jetzt unsere Ruhe brauchen oder es uns nicht gut geht. Die meiste Zeit ist man auf sich allein gestellt, da der Partner arbeiten ist. Zudem will man für sein Kind da sein und miterleben, wie es sich entwickelt und heranwächst. Teilhaben am Leben des Kindes.
Ein weiterer Punkt ist das Außen; Mamas und ihr Tun werden so schon streng beäugt. Als Mama mit Migräne, die dann vielleicht nicht so kann wie andere oder manche Dinge anders handhaben muss, hat man zusätzlichen Druck, weil man nicht so funktioniert, wie es vielleicht erwartet wird.
Frage 5:
Welchen Tipp möchtest du anderen Migräne-Mamas oder jenen die es werden wollen mit auf den Weg geben?
Sei achtsam mit dir und schau auf deine Bedürfnisse. Stelle dich an erste Stelle. Auch wenn sich das egoistisch anhört, aber nur wenn es dir gut geht, geht es auch deinen Kindern/deiner Familie gut. Dein Kind liebt dich dadurch nicht weniger.
Mamas schauen generell immer darauf, dass es allen anderen gut geht, und vergessen sich selbst oft dabei. Achte auf deine Ernährung, deine Gefühle, ausreichend Bewegung und auch deine Umwelt. Es gibt ein Sprichwort, dass mir sehr gut gefällt: Nähre dich dreimal selbst, bevor du anderen etwas gibst. Das erste Mal nähre dich, nur für dich. Das zweite Mal nähre dich, um deine Energiereserven aufzufüllen und das dritte Mal nähre dich, damit du anderen etwas geben kannst.
Frage 6:
Wie sieht ein Tag mit Migräne bei dir und deiner Familie aus?
Früher, also als ich noch regelmäßig Attacken hatte, war ein Tag mit Migräne ein Tag wie jeder andere. Mein Mann ging arbeiten und ich betreute die Kinder. Ich versuchte die Symptome so gut es ging im Zaum zu halten, bis es nicht mehr möglich war und ich ein Triptan benötigte.
Die Möglichkeit, dass ich mich in Ruhe wo hinlegen konnte, gab es erst, als mein Mann wieder zuhause war. Bis dahin hatte aber meist schon das Triptan seine Wirkung weitestgehend entfaltet und ich konnte weiter „funktionieren“. Nachdem meine Wiederkehrhäufigkeit sehr hoch war, benötigte ich nach ca. 24h das nächste Triptan.
Frage 7:
Was machst du mit deinen Kindern /deinem Kind besonders gerne an migränefreien Tagen?
Wir sind gern in der Natur unterwegs und bewegen uns gern. Die Kinder genießen es, wenn sie merken, dass es mir gut geht und ich auch wirklich teilnehmen kann am Geschehen.
Frage 8:
Was gibt dir als Migräne-Mama Kraft im Alltag? Was machst du für dein eigenes Wohlbefinden?
Migräne ist eine Erkrankung, die nicht heilbar ist und uns ein Leben lang begleitet. Früher hat mich das fertig gemacht; heute wo ich weiß, dass ich über 80% selbst in der Hand habe, wie es mir geht und es auch geschafft habe; trotz oftmaliger Zweifel, ob das der richtige Weg ist; dass es mir so gut geht, gibt es mir Kraft, zu wissen, dass sie nicht unbesiegbar ist.
Ich ernähre mich entzündungshemmend, versorge mich mit den nötigen Mikronährstoffen, die dabei helfen Migräne entgegenzuwirken und achte auf mich und meine Bedürfnisse.
Frage 9:
Was ist für dich das schönste am Mamasein?
Auch wenn Mama sein sehr anstrengend sein kann, sind meine Kinder das Beste, was mir passieren konnte. Sie erfüllen mein Leben mit viel Freude, Tränen, Kuscheleinheiten, Diskussionen, Liebe, schlaflosen Nächten, wunderbaren Zeichnungen, Dreckwäsche usw. – ich würde es niemals missen wollen!
Frage 10:
Hast du Unterstützung während deiner Migräne? Wenn ja wer greift dir unter die Arme?
Unterstützung habe/hatte ich nur von meinem Mann, wenn er halt von der Arbeit zuhause ist/war. Die Omas sind zum einen zu weit weg und zum anderen zu sehr eingeteilt.
Frage 11: Wie hat sich dein Leben mit Migräne gewandelt, seitdem du Mama bist?
Als ich Mama wurde, konnte ich mich nicht mehr einfach so aus dem Geschehen zurückziehen bzw. mich mal eben allein in ein abgedunkeltes Zimmer legen. Nun war da ein kleines Geschöpf, dass meine ganze Aufmerksamkeit benötigte.
Frage 12: Was hast du durch deine Migräne schon alles gelernt?
Früher glaubte ich, dass ich väterlicherseits vorbelastet war, was die Migräne betraf. Ich durfte lernen, dass man Migräne ganzheitlich betrachten sollte. Es gibt nicht DEN Grund für Migräne; meist ist es die Summe an Umständen/Mängel.
Schulmedizin ist vielleicht für die Symptombekämpfung hilfreich aber was die Ursachenidentifikation betrifft, gibt es andere Wege und Möglichkeiten. Zudem lehrte mir meine Migräne noch mehr auf meinen Körper zu achten und meinen Bedürfnissen nachzugehen.
Frage 13: Möchtest du werdenden Mamas mit Migräne und allen anderen Mamas mit Migräne noch etwas mit auf den Weg geben was dich beschäftigt?
Migräne ist ein Hilferuf deines Körpers. Er versucht dir zu sagen, dass etwas nicht stimmt. Sei es dir wert, näher hinzuschauen und nimm die Erkrankung nicht einfach hin! Du kannst deine Lebensqualität steigern. Du und auch deine Kinder können davon nur profitieren!
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